Als einen Auftakt für eine Portraitserie möchte ich einen Kollegen von mir vorstellen. Jérôme ist Franzose und ein gutes Beispiel für einen sehr disziplinierten Kurierfahrer.
Das Portrait basiert auf Gesprächen, die sich immer wieder mal im Alltag ergeben haben. Während man in Wartestellung lauerte, nach gemeinsamen Ladehilfen usw. Die Schlußszene ist einem Gespräch in der langen Reihe am Hamburger Hauptbahnhof entnommen.
Jerome, Jahrgang 1974, Franzose
Hochgewachsen, schlank und mit einer Baseballcap auf dem Kopf. Ein bisschen ernst schaut er aus. Dieser Eindruck wird durch den dunklen Flaum des Dreitagebartes noch verstärkt. Eng an seinen Rücken geschmiegt, hängt die rote Kuriertasche. An dem Riemen über der Schulter klemmt das Funkgerät, aus dem es leise summt.
Lässig sitzt er auf seinem Fixie. Wie eine Einheit wirken Rad und Mensch.
Jérôme ist Franzose und seit Dezember 2004 in Deutschland. Gefolgt ist er seiner Freundin nach Hamburg: Es war Winter und er sprach kein Deutsch. Er schlug sich mit einem Aushilfsjob als technischer Zeichner bei einer französischen Firma durch. Das dauerte bis Juni 2006. Inzwischen sprach Jérôme flüssig deutsch:
“Ich habe meiner Freundin gesagt, dass sie immer deutsch mit mir zuhause sprechen soll.” Jérôme lacht. ” Das hat nicht immer geklappt, weil sie halt auch so gerne französisch spricht und ich abends manchmal einfach zu müde war.”
Dann im Sommer 2006 fing er an, als Fahrradkurier an zu arbeiten. Für ihn war das ein Traum:
„Ich liebe das Radfahren. Als 1984 das BMX-Rad nach Frankreich kam, war ich zehn und sofort dabei.“
MTB, Downhill, Rennrad. Alles probierte er aus. Einen kurzen Ausflug in den Motorradsport unternahm er auch.
„Enduro bin ich gefahren. Aber jetzt habe ich kein Motorrad mehr.“
Seitdem Jérôme als Fahrradkurier durch Hamburg fährt, kann er sich einen anderen Job nicht vorstellen.
„Ich finde es richtig gut. Den ganzen Tag radfahren und auch noch Geld dafür zu bekommen.“
Er unterbricht und lauscht auf das gleichmäßige Rauschen am Funk. Tatsächlich wird er gerade gerufen. Kurz unterbricht er das Gespräch und nimmt eine Tour an.
Wir tauschen noch kurz E-Mail Adresse und Telefonnummer aus. Dann bringt er das Rad in Position: Ein kurzer Blick auf die stark befahrene Lange Reihe. Dann startet er: Mit zwei Tritten ist er mitten im Verkehr. Wenige Augenblicke später ist er nur noch eine helle Linie vor dem grauen Aspalt und verschwindet schließlich hinter einer Biegung der Straße.
Nachtrag: Seit dem Januar ist Jérôme Vater. Sein Sohn hat gerade begonnen zu lächeln. Das ist vermutlich der Grund dafür, dass er nicht mehr so oft bis in den Abend fährt
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